6. Überfahrt nach Spanien
- SY JollyJumper

- Oct 15, 2018
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Am 7. September verabschiedeten wir uns zum dritten Mal von Gianluca und Sizilien und legten Kurs Richtung Spanien. Wir wussten, dass wir anfangs das Wetter etwas gegen uns haben würden, und so motorten wir bis in die Nacht gegen Wind und die aufkommenden Wellen. Gegen neun Uhr abends passierten wir die letzte der Egadi Inseln und entschlossen uns kurzerhand dort an einer Boje die Nacht zu verbringen. Einfach noch ein paar Stunden Schlaf. Im Nachhinein war das eine weise Entscheidung, denn am morgen kam auch der richtige Wind für uns auf und stiess uns die nächsten Tage bis nach Spanien.
Unser Logbucheintrag beim Start am 8. September: 8.20 Uhr von Boje los, 9.30 Uhr Gennaker gerissen. Unser grosses Vorsegel ist bei einer kleinen Welle unten beim Segelhals gerissen, die Moral der Crew sank innert Sekunden auf den Meeresgrund. Mit so einem fatalen Schaden hatten wir nun wirklich nicht gerechnet, vor allem nicht gleich beim Start unserer bisher längsten Etappe. Das Segel hatten wir noch in Sanremo neu gekauft und dachten es würde uns dann über den Atlantik ziehen. Später erfuhren wir dann, dass es ein völlig falsches Segel war, was wir damals geliefert bekamen, aber das ist eine andere Geschichte, denn wir warten noch heute auf eine Reaktion des Segelmachers, eine Entschädigung ist nur noch ein entfernter Traum.
Nun waren wir am Anfang der langen Reise mit einem kaputten Segel. Umkehren konnten/wollten wir nicht, da der Wind für unsere Route perfekt war. Auch frischte er immer mehr auf und wir machten zeitweise sogar Rekordgeschwindigkeiten von 8.5 Knoten. Das sind umgerechnet ca. 16 Km/h. Hört sich nach wenig an, ist aber für ein 15-Tonnen Stahlschiff schon eine beträchtliche Geschwindigkeit. So stieg die Moral der Crew von Stunde zu Stunde wieder näher an die Wasseroberfläche. Mit dem Material, das wir an Bord hatten, konnten wir sogar das Segel nähen. Ein paar Tage später kam es auch wieder zum Einsatz und hielt bis ans Ziel. Ja, die Handarbeitslektionen in der Schule hatten sich schon ausbezahlt.
Wir haben diese Reise entlang der afrikanischen Küste sehr genossen. Das Wetter und vor allem der Wind waren nahezu perfekt. Obwohl die Frachter-Autobahn südlich von uns sehr befahren war, hatten wir unsere Ruhe und auch die Nächte waren sehr entspannend. Captain und Offizier wechselten sich während der Nachtwache immer wieder ab. Die Kinder schliefen wunderbar auf dem offenen Meer. Und der Sternenhimmel ist so weit weg vom Land einfach fantastisch. Sobald die Sonne aufging versuchten wir uns mit Fischen. Oft waren wir zu langsam oder die Fische zu stark und nahmen den Köder gleich mit. Leider verloren wir eine beträchtliche Menge an Köder. Für die Atlantiküberquerung müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen, sonst sind wir schnell bankrott. Eine Goldmakrele konnte wir jedoch ins Menu einfügen. Wir freuten uns sehr über den Riesenfisch, aber da er viel grösser war als der Erste, passte er nicht in unsere Ofenform. So war Alina über eine Stunde lang am Fisch freestyle-filetieren und sehnte sich nach einem Buch mit dem Titel «Wie filetiere ich einen Fisch». Das Resultat der makaberen Arbeit schmeckte jedoch himmlisch. Zum Glück liessen uns die Mädchen auch ein oder zwei Bissen übrig.
Wenn man so lange unterwegs ist, dass man über Tage kein Land sieht, kommt bei jedem Besuch Freude auf. Wir sahen Delfine, Wale und sogar Schildkröten an uns vorbei schwimmen. Auf dem Schiff hatten wir Besuch von einem kleinen Vogel und einer Libelle. Sie ruhten sich bei uns aus und freuten sich über die Mitfahrgelegenheit.
Am Nachmittag des sechsten Tages sahen wir am Horizont wieder Land. Es war die Küste nahe der schönen Stadt Cartagena. Da es schon zu spät war um noch vor Nachteinbruch den Hafen zu erreichen, wollten wir in einer kleinen Bucht entlang der Küste ankern um dann am nächsten Morgen weiter zu fahren. Idee gut, Ausführung Katastrophe. Mitten in der Bucht versagte unser Motor, respektive die Kupplung. Wir konnten weder vorwärts noch rückwärts fahren und drifteten langsam in Richtung Felsen. Es kam Panik auf, denn wir konnten unser Schiff verlieren. Da ein leichter Wind wehte, konnten wir uns dank den Segeln wieder vorwärts bewegen, ganz langsam ca. 2 Meter von der Felswand entfernt. Ein vorstehender Felsen konnten wir aber nicht mehr umfahren und mussten ihn auf gut Glück auf der anderen Schiffsseite lassen. Die Passage war ca. 5 Meter breit, wir 4 Meter breit, und auf der Karte war die Tiefe für diese Stelle mit 20 cm angegeben. Wir hielten den Atem an und warteten auf den Knall… aber der kam nicht und plötzlich waren wir auf der anderen Seite. So viel Glück, wir konnten es kaum glauben. Vom Land her kam dann noch ein Gummiboot mit Hobby-Fischer und half uns noch weiter aus der Bucht heraus. Dies war unsere erste Begegnung mit Spanien und wir wollten sofort wieder aufs offene Meer hinaus. Der Wind stimmte und so suchten wir Gibraltar, respektive der spanische Hafen Alcaidesa, als nächstes Ziel aus. Dies bedeutete nochmals 2 Tage unterwegs zu sein, doch das machte uns überhaupt nichts aus. Wir benötigten erst einmal Zeit um den Schock zu verarbeiten.
Als wir uns am nächsten Tag wieder etwas gefangen hatten, schaute Christoph mal nach dem Problem im Motorenraum. Er schaffte es tatsächlich, dass der Motor wieder lief und wir vorwärts und rückwärts schalten konnten, aber leider nur vom Motorraum aus. Das gab uns zwar die Möglichkeit über längere Strecken zu Motoren, aber an Hafenmanöver war nicht zu denken.
Die Fahrt nach Gibraltar führte uns vor der Küste Malagas vorbei. Auch hier gab es viel Schiffsverkehr und wir mussten doch etwas mehr aufpassen, respektive ausweichen als noch vor Algerien. Auch hörten wir über Funk alle paar Stunden die Meldung, dass mehrere kleine Gummiboote von Marokko aus in Richtung Spanien unterwegs seien. Dies gab uns ein mulmiges Gefühl, doch zum Glück haben wir nie eines gesichtet. Klar wären die Küstenwache und andere Boote schnell vor Ort, doch man weiss nicht in welchem Zustand sich die Leute an Bord befinden.
Am Morgen vom 16. September sahen wir dann wieder Land. Der grosse Felsen/Berg von Gibraltar tauchte am Horizont auf. Je mehr wir uns nährten, desto mehr spürten wir das britische Wetter. Es war der erste Morgen seit wir im Juni in Ligurien gestartet waren, an dem ein T-Shirt nicht mehr reichte und wir die Fasernpelze aus dem hinteren Teil des Schrankes ausgraben mussten. Am späteren Morgen liefen wir dann endlich in den Hafen von Alcaidesa ein. Wir waren froh endlich angekommen zu sein, aber auch etwas genervt, da die Hafenleute uns über eine Stunde warten liessen, bis sie endlich begriffen, dass wir nicht alleine anlegen können und uns ein Gummiboot helfen muss. Aber sonst sehr nett, fühlten wir uns gleich wohl in La Linea de Conception.
Gleichentags stürzten wir uns auf die tollen, grossen Waschmaschinen. Nach fast zwei Monaten nicht waschen kam eine Menge zusammen. Auch erkundeten wir das nahe gelegene Gibraltar und freuten uns über ein Mittagessen im Irish Pub.
Nachdem wir Segelmacher, Mechaniker und Elektriker organisiert hatten, reisten wir ein paar Tage später in die Schweiz um Grosseltern und Freunde zu besuchen, die einen spielten sogar noch Fussball auf höchstem Unterklassig-Niveau.
Nun stehen wir wieder kurz vor der Abreise nach Spanien und freuen uns schon auf die Arbeit am Schiff (ja auch das macht Spass), die nächste Segelreise nach Marokko und unser neues Crew-Mitglied Dani an Bord begrüssen zu dürfen.































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